Vernetzte Fahrzeuge und Connected Diagnostics

Die Vernetzung von Fahrzeugen bietet auch im Bereich der Diagnose neue Möglichkeiten und kann dabei helfen, schon während des Betriebs drohende Ausfälle rechtzeitig zu erkennen, die Verfügbarkeit von Fahrzeugen zu erhöhen und nicht zuletzt die Kundenbindung zu intensivieren.

Die Komplexität moderner Fahrzeug architekturen hat zuletzt durch die Einführung von Gateway-Steuergeräten und DoIP noch einmal deutlich zugenommen. Parallel dazu haben sich die Prüfgeräte weiter entwickelt, um die steigenden Anforderungen von Fahrzeug und Anwender zu erfüllen. Ein Grundprinzip bei der Diagnose blieb bis dato aber unverändert: Sie erfolgt über eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen Diagnosegerät und dem Fahrzeug. Zwar kommen dabei mittlerweile Technologien wie DoIP (Diagnostics over Internet Protocol) und WiFi zum Einsatz. Allerdings kann diese Kommunikation trotzdem nur sporadisch aufgebaut werden und nur dann, wenn das Fahrzeug schon besondere Aufmerksamkeit erfordert und daher beispielsweise in der Werkstatt steht. Die Vernetzung der Fahrzeuge bietet hier in Form von Connected Diagnostics ganz neuen Möglichkeiten für Werkstätten, Mobilitätsdienstleister und Flottenbetreiber.

Diagnose neu denken

Ein dauerhaft verbundenes Fahrzeug ermöglicht viele neue Anwendungen, die das Potenzial haben, Kosten zu senken und das Kundenerlebnis zu verbessern. Zu den möglichen Anwendungen gehören:

  • Over-the-Air-Updates: Die Übermittlung von Software-Updates über eine drahtlose Kommunikationsverbindung hat die Automobilindustrie zum Teil bereits implementiert. Die Bedeutung dieser Anwendung wird noch weiter zunehmen.
  • Überwachung des Fahrzeugzustands: Ein wichtiger Anwendungsfall ist die Überwachung und Bekanntmachung des Fahrzeugzustands. Auf diese Weise kann eine Organisation die gesammelten Informationen proaktiv einsetzen, um die Fahrtüchtigkeit eines Fahrzeugs ggf. in Interaktion mit dem Kunden und externen Dienstleistern zu gewährleisten. Zusätzlich lassen sich die gesammelten Daten als Grundlage für eine vorausschauende Instandhaltung nutzen.
  • Wiederherstellung des Fahrzeugzustands: Wird ein Fahrzeug fahruntüchtig, kann das Fahrzeug in einigen Fällen über Diagnosebefehle in einen Zustand zurückversetzt werden, in dem es wieder sicher fahrbar ist. Damit können Pannendienst- und Kundensupportteams den Kunden bei der Aufrechterhaltung der Mobilität unterstützen.

Sicherheit und Datenschutz

In jeder vernetzten Umgebung sollte das Thema Sicherheit an erster Stelle stehen und das Konzept „Secure by Design“ strengstens eingehalten und befolgt werden. Konzepte wie Fahrzeugzu-Infrastruktur-Kommunikation-VPN, Fahrzeugschlüssel-/Zertifikatautorisierung und permanent sichere Kommunikation sind nur einige der Maßnahmen, die eingesetzt werden können, um Angriffsvektoren (während der externen Kommunikation) zu minimieren.

Auch der Datenschutz ist bei der Entwicklung vernetzter Diagnosesysteme (Connected Diagnostics Systems, CDS) konsequent zu beachten. Grundsätzlich müssen alle übermittelten fahrzeugbezogenen Daten auf eine sichere und kontrollierte Weise behandelt werden. Die Zustimmung des Kunden ist darüber hinaus ein zentraler Faktor. Unternehmen sollten daher Änderungen an ihren Geschäftsbedingungen vornehmen, um sicherzustellen, dass eine rechtskonforme Zustimmung vorliegt und die Dienste entsprechend geschützt sind.

Design to Scale

Die an die Datenerfassungskomponenten eines vernetzten Diagnosesystems gestellten Anforderungen werden mit der Zeit zunehmen bzw. sich verändern. So wird sich die Zahl der vernetzten Fahrzeuge und der Kommunikations ereignisse erhöhen. Gleichzeitig kann die Qualität und Verfügbarkeit der Datenübermittlung (wegen der Verfügbarkeit der Fahrzeugkommunikation, Zeitzonen, usw.) nicht jederzeit vorhergesagt oder garantiert werden.

Die Nutzung von „Design to Scale“-Prinzipien ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Das Architekturdiagramm (Bild oben) zeigt eine beispielhafte Lösung.

Es gibt bei diesem Konzept mehrere zusammenwirkende Teile, die zum einen die Bereitstellungs-Gemeinkosten niedrig halten und zum anderen gleichzeitig für größtmögliche Skalierbarkeit und den reibungslosen Umgang mit Bedarfsschwankungen sorgen.

  • Der Kommunikationsmanager (A) ist ein skalierbarer Dienst, der exklusiv mit dem Fahrzeug interagiert, und nur für eine minimale Verarbeitung der Nachrichten und die Übergabe an die Warteschlange verantwortlich ist.
  • In der Verarbeitungswarteschlange (B) werden die Nachrichten nach der Annahme abgelegt. Dabei wird die Warteschlangentiefe überwacht und die ‚Worker‘ für die Datenverarbeitung bedarfsgerecht skaliert (Serverless Computing).
  • ‚Worker‘ übernehmen die Nachrichtenverarbeitung (C) und erweitern die Daten geschäftsspezifisch. Bei einer erfolgreichen Verarbeitung werden die Fertigstellung der Working-Signale und die Quittierung an das Fahrzeug gesendet. Fehlermeldungen können Out-of-Band verwaltet und verarbeitet werden.

Moderne Skalierungstechniken unterstützen diese Architektur und die resultierende Lösung ist dadurch sowohl einfach als auch hochgradig skalierbar.

Neue Geschäftsmodelle

Bei der Einführung dieser Systeme müssen die Kosten (Fahrzeugplattformänderung, Infrastruktur, Systemänderung, Support, usw.) mit dem Nutzen für den Endkunden abgewogen werden. Eine vernetzte Diagnoselösung eröffnet aber eine breite Palette an Möglichkeiten und bietet geschäftliche Vorteile, durch die sich die erforderliche Investition für eine solche Lösung schnell bezahlt macht. 

  • Vorausschauende Wartung: Auf Basis von Vorort-Fahrzeugdaten und -zuständen ist es möglich, potenzielle Ausfälle zu erkennen, bevor sie auftreten. So lässt sich gemeinsam mit dem Kunden dafür sorgen, dass es nicht zu einem ungeplanten Fahrzeugstillstand kommt. Außerdem ist es im Rahmen von planmäßigen Werkstattbesuchen denkbar, Wartungsarbeiten vorzuschlagen, um erwartete Ausfälle zu vermeiden. 
  • Wiederherstellung des Fahrzeugzustands: Bei einer Fahrzeugpanne kann vorübergehend ein fahrbereiter Zustand wiederhergestellt werden. Dadurch lassen sich Ausfallzeiten reduzieren und der Kunde bleibt weiter mobil.
  • Erhöhte Markentreue: Intelligente Services und die Erhöhung der Fahrzeugverfügbarkeit wirkt sich positiv auf Nutzererfahrung aus. Sie tragen zum Markenwert bei und stärken die Kundentreue.
  • Verbesserte Händlererfahrung: Auch das Händlernetz profitiert von vernetzten Diagnosesystemen. Werkstatttechniker können den Fahrzeugzustand ermitteln und Erstdiagnosen durchführen und ggf. Ersatzteile bestellen, bevor das Auto in die Werkstatt kommt. Serviceberater können ein genaues Bild des Zustands vermitteln und Servicearbeiten proaktiv empfehlen, um den Kunden vor Fahrzeugausfälle zu bewahren.
  • Lebensdaueranalysen: Derzeit erhalten Zulieferer und OEMs meist nur dann Informationen über eine verbaute Komponente, wenn sie ausfällt – und selbst dann nicht in allen Fällen. Der Kontext zu diesem Ausfall fehlt dabei in der Regel oder beschränkt sich auf einen Diagnose-Fehlercode (DTC). Vernetzte Diagnosesysteme versetzen diese Unternehmen in die Lage, die Leistung von Komponenten zu bewerten und zu verbessern. Zudem könnten sie diese Daten auch in Kombination mit maschinellem Lernen nutzen, um zukünftige Störungen präziser vorherzusagen.
  • Aftermarket: Einige Länder verlangen, dass Ferndiagnosemöglichkeiten dem Aftermarket verfügbar gemacht werden. Eine vernetzte Diagnoselösung in Kombination mit einer Extended Vehicle Platform (ISO 20077/8/80) bietet einen Weg, um sowohl diese gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig ein sicheres, kontrolliertes System zu realisieren.

Eine vernetzte Diagnoselösung hat das Potenzial auch die Anwendungsfälle abzudecken, die heute eine nachgeordnete Rolle oder, wie Pay-per-Use oder Ferninspektion, noch weitgehend Zukunftsmusik sind aber schnell an Bedeutung gewinnen können. Unternehmen, die rechtzeitig eine vernetzte Diagnoselösung einführen, können auf diese und ähnliche Anforderungen reagieren und neue Geschäftsmodelle entwickeln.  » www.kpit.com

 

 

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